Sonntag, 1. Juni 2008

So, ich möchte eine neue "Art" von Posts anfangen. Seit einiger Zeit schreibe ich Mails mit einer Freundin aus dem Süden Deutschlands. Sie geht für ein Jahr in die USA und wir reden über ziemlich genau das, worum es auch in diesem Blog geht. Deswegen werde ich einfach Teile der Mails veröffentlichen. Allerdings möchte ich dazu sagen, dass persönliche Daten prinzipiell falsch sind und die vorkommenden Personen nicht gemeint sind. Die E-Mail ist gekürzt.

"Hey Robert,

Ich erzähle einfach mal, was bei mir in der letzten Zeit so am laufen war. In dieser und in der vorigen Woche hatten wir Pfingstferien und ich war bis letzten Donnerstag mit meiner Familie zwei Wochen lang im Urlaub. Es war wahrscheinlich jetzt erstmal für längere Zeit unser letzter Familienurlaub, weil ich ja nach Amerika gehe und mein großer Bruder sein FSJ in Argentinien macht. Und wenn er davon zurück sein wird, denke ich, fängt er an zu studieren etc. Also irgendwie war deswegen dieser Urlaub auch etwas Wichtiges für die Familie. Glücklichereise hatten wir jeden Tag eigentlich Sonne und warme Temperaturen :)). In den ersten Tagen waren wir in der Nähe eines großen Vulkans, dann eine Woche in einem Ferienhaus DIREKT am Strand und in den letzten Tagen dann in einem Ferienhaus an einer Steinklippe auch mit Meerzugang. Die Quartiere waren echt cool!
Leider war noch absolute Nebensaison und es gab fast nur uns. Zum einen kann man sagen: wie schön alles leer, kein Lärm. Aber zum anderen (und so hab ich dann doch manchmal gedacht) kann man sagen: niemand da, man kann gar nicht mal andere Gleichaltrige kennenlernen. Naja, im Endeffekt haben wir dann halt sehr viel Zeit in der Familie miteinander verbracht (Karten spielen, sonnen, baden,...) und haben auch viele Kulturgüter besichtigt. Insgesamt kann man sagen, dass der ganze Urlaub schön war, obwohl er vielleicht nicht ganz so perfekt für Jugendliche klingt ;).
So viel mal zu dem, was ich in letzter Zeit so erlebt habe.
Jetzt beantworte ich deine Fragen aus der letzten Mail:
Meine schönste Erinnerung an den letzten Sommer....? Keine Ahnung um ehrlich zu sein. Es gab nichts, was so total raussticht, glaube ich, aber ich weiß dass der Sommer insgesamt voll cool war ;) hehe. Wenn mir noch was einfällt schreibe ich es dir, aber ich habe das Gefühl, das es nicht unbedingt das ULTIMATIVE Erlebnis gab, was sich total von allem anderen abgehoben hätte. Naja, ich schaue mal.
Ob ich mich auf die kommenden Monate freue...? Also auf die in Amerika natürlich total (wer hätte es gedacht?!) und auf die restliche Zeit mit meinen Freunden auch extrem, weil ich merke, wie wichtig mir bestimmte Personen geworden sind. Aber auf einen Moment freue ich mich überhaupt nicht. Und zwar auf den Abschied. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, meine besten Freunde einfach so zurückzulassen. Damit kämpfe ich gerade noch ein wenig.
In den Sommerferien fahre ich erst einmal 1 1/2 Wochen auf Fahrradtour mit meiner Familie und noch zwei anderen Freunden von uns aus Frankfurt. Darauf freue ich mich besonders, weil Fahrradtouren (das machen wir jedes Jahr) einfach immer extrem cool sind :). Danach habe ich ein Vorbereitungswochenende in Düsseldorf. Und dann habe ich noch zwei Wochen Zeit bis zu meinem Abflug (@ home). Was dann kommen wird....wer weiß :)
Neuigkeiten vom Austausch...? Also ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie viel ich dir schon erzählt habe ;). Wie du bestimmt schon weißt, komme ich auf die Welton Academy in New York. Ich habe mich bereits mit einem in Verbindung gesetzt, der an dieser Schule war. Und seit kurzem schreibe ich jetzt auch Mails mit derjenigen, die gerade dort ist- das ganze nimmt immer mehr Form an.
Wie stehts bei dir? Wirst du auch immer aufgeregter und erwartungsvoller? Was weißt du neues von deinem Aufenthalt in Brasilien? Wie sieht deine Planung für den Sommer aus? Bekommst du nicht auch immer mehr Angst vor dem Abschied?
Ich finde es auch nicht schlimm, dass Ken (der Austauschschüler der zu uns nach Hause kommt, Anmerkung von Robert) eher "uncool" ist. Im übrigen stellt sich sowas ja auch meistens erst heraus, wenn er da ist. Vielleicht gibt es ja auch zwei Kens ;). Im Übrigen solltet ihr meiner Meinung nach froh sein, wenn er keine Partybombe ist und dann jedes Wochenende total betrunken nach hause gebracht werden muss...oder?!
Kennst du den Film: Keine Lieder über Liebe? Irgendwie musste ich stark an diesen Film denken, als ich den Abschnitt dieser Mail gelesen habe, in dem du über deine "beiden Gesichter" schreibst. Wenn du ihn nicht kennst, solltest du ihn dir unbedingt mal anschauen. Ich finde diesen Film sehr gut!
Ja ich denke auch, das Glauben etwas total persönliches ist und ich denke, jeder sollte damit seine eigenen Erfahrungen machen. Ich weiß nicht, ob ich dir das schon geschrieben habe, aber Welton Academy ist eine ziemlich religiöse Schule, das heißt man hat fünf mal pro Woche Gottesdienst oder etwas Ähnliches. Ich weiß nicht wirklich, ob ich das so toll finden werde und bin eher skeptisch. Aber naja....wir werden sehen. Später ist man immer schlauer!

Vera"

Wie gesagt, ich habe die Mail stellenweise verändert, da ich keine persönlichen Daten preisgebe. Nicht von mir und nicht von anderen. Wer mich kennt weiß ja eh wo ich zum Beispiel wohne und kann mich nach anderen Sachen ja einfach fragen. Ich halte es bloß für sicherer, so zu verfahren.
Nun meine Antwort auf diese Mail, auch wieder gekürzt und verändert.

"Hey Vera,

schön von dir zu hören!  Dieses Mal hätte ich fast vergessen dir zu antworten, es gab und gibt nämlich zurzeit extrem viel zu tun. Und dementsprechend auch zu berichten. Ich wünschte, mein Leben würde immer so voll sein mit Spannung und Abwechslung.
Aber dazu später mehr, erstmal antworte ich nach dem "Vera-Prinzip" (die Mail von oben nach unten durchgehen und auf die Fragen antworten, Robert) auf deine Mail ;-P
Familienurlaub: Schade, dass ich deine E-Mail nicht vorher schon lesen konnte. Wir waren vor 3 Wochen in Rom, und es war ja auch eine Art letzter Familienurlaub, oder zumindest der letzte vor dem Austausch. Und danach? Wer weiß ob wir nochmal einen echten Familienurlaub machen?
Auf jeden muss ich sagen, was du schreibst klingt doch eigentlich ziemlich schön! Das man keine anderen Leute kennenlernen kann, stimmt wohl, aber ich kann mich noch an unseren Kretaurlaub vor 3 Jahren erinnern, der hatte ziemlich viel gemeinsam mit deinen Schilderungen. Und ich muss öfter an ihn denken als an irgendeinen anderen Urlaub.
Wir waren in den Herbstferien dort, totales Saisonende. Fast jeden Tag sind wir in das einzige offene Café des Dorfes gegangen, wir waren die einzigen Touristen und hatten wirklich unsere Ruhe.
Es gibt so viele Plätze, an die ich mich dort noch erinnere, und alle bedeuten ein bestimmtes Gefühl für mich:
Das Café zum Beispiel: Immer wenn ich an einem unbekannten Ort quasi alleine bin und mich wohl fühle, denke ich daran. Oder der Hafen direkt vor dem Café: Er steht für mich für Entspannung und eine kleine, unaufgeregte Existenz. Ich denke mal du weißt was ich meine und kennst das auch aus Urlauben.
Dann zu den nächsten Monaten (inzwischen sind es ja nurnoch Wochen...):
Ich freue mich total auf alles, was noch ansteht. Und das ist viel:
Zunächst steht das Landesjugendtreffen an, wo ich die halbe Predigt vor ca. 500 Leuten halten darf. Das wird Nervenkitzel pur und muss noch ordentlich vorbereitet werden. Ich will mich nach Möglichkeit nämlich nicht verlesen ;D.
In der Woche danach sind die Oldenburger Model United Nations, wo wir eine Woche lang embassador eine bestimmten Landes (Botschafter) sind und über bestimmte Themen diskutieren, komplett auf Englisch. Während dieser Woche wird ein Pole bei uns zu Hause wohnen, der auch an der OlMUN teilnimmt. Ich bin schon gespannt!
Ebenfalls in diese Woche fällt ein Schülerstreik am 12.06 (Donnerstag), der für mich als Schülervertreter auch eine gewisse Bedeutung hat. Direkt am nächsten Tag dann geben wir mit unserer Band ein Konzert und am nächsten Tag, dem 14.06 veranstalten zwei Freunde und ich unsere Abschiedsparty. Und die wird gigantisch!
Am folgenden Wocheende geht es dann auf das Hurricanefestival. Wiederum eine Woche später ist dann unserer Klassenfahrt nach Berlin, am 10. dann Ferienbeginn und Schoolsoutparty und ab dem 11. werde ich wohl mit meinem besten Freund für 5 Tage nach Berlin Fahren. Ich finde es dort wirklich fantastisch, und glaube dass es ein wunderbarer Abschluss für meine Zukunft ist. Denn was danach kommt, weiß ich nicht. Fest steht nur: Packen und am 20.07 in den Flieger steigen.
Leider ist es schwer zu beschreiben was gerade in mir vorgegangen ist:
Es ist grade das erste Mal, dass ich einen leichten Kloß im Hals habe wegen meines Austausches. Oder eher wegen dem Abschied. Bisher habe ich wirklich ausschließlich positive Gedanken über meinen Austausch gehabt, und gerade wo ich das hier schreibe bin ich zum ersten Mal...ja, einfach nicht mehr NUR euphorisch.  
Aber weiter: du schreibst, dass du mit dir kämpfst, deine Freunde zurückzulassen. Komischerweise muss ich zugeben, dass ich dieses Problem überhaupt nicht habe. Es gibt Personen in meinem Leben, die mir wichtig sind, ohne Frage, aber ich habe keine Probleme damit, sie zurückzulassen. Ich glaube auch, dass ich meine Familie (wie sehr ich sie auch mag) zurücklassen kann. Und das nicht nur für ein Jahr. Ich kann mir mühelos vorstellen, sie auch für noch längere Zeiten zu verlassen. Vor der Erklärung dafür habe ich aber zugegeben Angst. Mich wundert, dass alle vom "Vermissen" reden, und ich selbst es mir nicht richtig vorstellen kann.
Vor dem Abschied habe ich auch keine "Angst".Auf jeden Fall, traurig werde ich sein, aber das weiß ich auch erst seit wenigen Zeilen dieser Mail. Vorher konnte ich es nur vermuten. Aber ich bin mir sicher ich werde traurig sein, sicher.
Zu Ken: Da hast du Recht. Ich kann mir gut vorstellen wie es für jemanden, der nie legal Alkohol trinken durfte, und dem es auch gesellschaftlich und nicht nur gesetzlich verboten ist, sein muss, auf einmal trinken zu dürfen was man will! Ich glaube, sogar ich würde total über alle Grenzen schlagen, erst Recht wenn ich nur für ein Jahr da bin.
Keine Lieder über Liebe kenne ich leider nicht, wenn du daran denken musst heißt das ja, dass er nicht all zu schlecht sein kann :-P
Das Welton Academy so religiös ist, hast du noch nicht geschrieben. Ich halte auch nicht viel von einer Institution, um Glauben auszuüben. Erst recht nicht wenn sie verpflichtend ist. Aber da Welton Academy ja nicht die einzige Schule ist, die täglich eine Andacht feiert, bin ich mir sicher, dass es nicht all zu "schlimm" sein kann. Aber ich sehe schon einige Probleme:
-Vielleicht ist es laut im Gottesdienst wenn du dich konzentrieren willst
-Vielleicht hast du ein ganz anderes Bild von Gott als derjenige der das alles leitet.
-Vielleicht ist es langweilig.
Weiß man ja nie.
So, ich hoffe ich hab alles beantwortet, es hat mir wirklich Freude gemacht dir zu antworten und ich habe sogar etwas wichtiges über mich gelernt und eine Idee bekommen. Danke!
Mit freundlichen Grüßen und bestem Dank für eure Postkarte,

Robert"