Montag, 24. Dezember 2007

Die Reise II

Bis zum Zusammentreffen mit den anderen Austauschschülern sind wir ja schon gekommen. Aber in Brasilien bin ich noch lange nicht. also:

Abreisetag, Flughafen 7.00 Uhr
Es ist ordentlich was los. Aufgeregte Gespräche werden geführt, viele Tränen fließen. Das ganze Szenario wirkt etwas unwirklich*, in der hohen, mit dem Licht der aufgehenden Sonne durchfluteten Halle sehen wir Jugendlichen und auch die Erwachsenen verloren aus.
Nun kommt der Austauschleiter zu der Gruppe, wechselt ein paar Worte mit Schülern und Eltern und führt uns dann zum Check-In. Dort gibt es dann ein bisschen Ärger, weil 3 der Koffer zu schwer sind. Wieder gibt es Tränen, da geliebte Gegenstände zu Hause bleiben müssen und langsam bin ich wach genug um meine Umwelt wahrzunehmen. Ich Rede mit meinen Eltern und versuche mit ein paar Witzen die Situation aufzulockern.

Immer noch Abreisetag, Abflugterminal, ca. 7.30 Uhr
Am Eingang zum Departure, also bei den Sicherheitskontrollen, weinen jetzt glaube ich alle**. Ich umarme meine Familie bestimmt 10mal, sage auch anderen Eltern Tschüss und winke bestimmt 1 Minute lang noch über die Sicherheitskontrollen hinweg meinen Eltern zu. Dann wird auch schon unser Flug ausgerufen. "Bitte begeben sie sich in Bereich 4" Wir gehen also. Ich fühle mich erstaunlich wichtig, wie ich mit meinem Rucksack durch die Halle marschiere. In Bereich 4 angekommen werden wir durchgezählt. Irgendwer fehlt. Große Verwirrung, nochmal zählen, Ausschwärmen, Suchen. Schließlich findet sich das Mädchen. Sie war auf Klo und ist danach bei dem Parfumshop hängen geblieben.
Nun werden wir von der Dame am Mikrofon*** aufgefordert, uns doch bitte bei Gate 4c in die Schlange einzuordnen. Als wir endlich in die Schleuse kommen, bin ich ein sehr schwermütig gestimmt. Jetzt gehe ich zum letzten mal über deutschen Boden und werde gleich das Flugzeug zu meinem Traumziel betreten. Ein Jahr ohne meine Eltern, Freunde, Schulkameraden, Lehrer, Oldenburger,ohne die Konzerte kleiner Oldenburger Bands, ein Jahr ohne all das, was ich in 16 Lebensjahren lieb gewonnen habe. Aber ein ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.

Flug, ja halt im Flugzeug, 8.06 Uhr
Als das Flugzeug abhebt, gucke ich die ganze Zeit aus dem Fenster. Mir ist erst einmal nicht danach zumute, mit meiner Sitznachbarin in Kontakt zu treten. Ich glaube ihr auch nicht. Nachdem wir also über der typisch deutschen Wolkendecke sind, reden wir nicht, sondern beschäftigen uns beide damit, was wir alles mitgenommen / vergessen haben. Vergessen habe ich Folgendes:

-Fotos von meiner Klasse und Schule
-Die Liste mit den Telefonnummern aus Deutschland
-Ein leeres Tagebuch (um es dort auszufüllen)
-Das Stück deutsche Erde (das ich verschenken wollte)

Also halb so schlimm. Jetzt, ich mir darum keine Sorgen mehr machen muss, ist mir doch nach Reden zumute. "Und, was hast du vergessen?" "Viel zu viel. Meinst du man kann in Brasilien an Haribo kommen? Die will ich meiner 3. Gastfamilie schenken.""Hm, sonst lass es dir doch nachschicken." "Ja, gute Idee." Aufregendes Gespräch, nicht wahr?
Nun gibt es das übliche Flugzeug Frühstück, und danach entschwebe ich wieder in das Reich der Träume.

Auf dem Flug, Reihe 10 Platz b, 12.00
Da es nun Mittag gibt, weckt mich das Mädchen neben mir. Während des Essens unterhalten wir uns über unsere Gastfamilien. Während des die Stewardess abräumt, dreht sich das Gespräch in Richtung Heimweh. Das Mädchen vermisst ihre Mutter, obwohl sie sich mit ihr oft streitet. Ich habe zurzeit andere Gedanken und freue mich eher auf das neue als dass ich dem alten hinterher trauere.
Nun fangen wir ein Gespräch mit den Austauschschülern in der Reihe hinter uns an. So vergeht der Flug wie im Fluge.
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*Das liegt nicht an meiner mangelnden Vorstellungskraft, sondern an der Situation.
** Also alle die zu den Austauschschülern gehören, nicht das Sicherheitspersonal oder Passanten.
*** Die klingt an jedem Flughafen gleich: Freundliche Stimme, meistens klare Aussprache und grottiges Englisch.

Sonntag, 16. Dezember 2007

Die Reise

Wenn ich ein Jahr in Brasilien verbringen will, muss ich auch irgendwie dorthin gelangen. Ok, dass ist nun nicht gerade überraschend, aber Fakt ist Fakt. Und am besten kommt man von Oldenburg nach Brasilien mit dem Flugzeug. Zum Flugzeug kommt man am besten mit dem Auto. Ich habe mir ein paar Gedanken zu meinem letzten Tag in Deutschland gemacht.
Dieser könnte ungefähr so aussehen:
Noch ein Tag bis zur Abreise,Oldenburg, 20.00
Meine Koffer sind schon halb gepackt. Ich habe viel vergessen und nochmehr eingepackt. Am Abend kommen dann gute Freunde der Familie, wir reden viel über Oldenburg und über meine Kindheit. Ich bin ein wenig traurig, gleichzeitig aber gespannt auf das, was nun auf mich zukommt.

Tag des Abflugs, mein Zimmer, 2.00 Uhr,
Ich bin gestern um 24.00 ins Bett gegangen und mir nicht ganz sicher ob ich überhaupt schon geschlafen habe. Hoffe ich aber. Auf jeden Fall liege ich jetzt wach und denke an mich.*
Aber auch die ersten Ängste vor dem Unbekannten, Neuen werden aufkommen: Wird mich Brasilien akzeptieren? Komme ich mit meiner Gastfamilie aus? Was werde ich in Deutschland verpassen? Wie werde ich empfangen werden?

Tag der Reise, Schlafzimmer meiner Eltern, 2.00,
Meine Eltern sind um 24.00 ins Bett gegangen, genau wie ich. Das könnte passieren:
Beide liegen wach und können nicht einschlafen. Papa sagt, das Licht der Nachbarn ist viel zu hell. Mama bemerkt, dass eine Fledermaus durch die Luft fliegt. Keiner von beiden spricht aus, was er wirklich denkt: Morgen ist es so weit, ein neues Kapitel wird geschrieben, oder vielleicht sogar ein neues Buch. Auf jeden Fall wird es ein tiefer Einschnitt sein. Keiner von beiden sagt, dass er Angst hat vor dem, was kommt. Immer wieder sagt einer von beiden leise:" Es wird eine wichtige Erfahrung für ihn. Und es ist gut für ihn." Beide wissen, was gemeint ist, nämlich**: Es wird schwer, viele Gewohnheiten werden wir umstellen müssen. Und wird der Robert-Ersatz genau so toll sein, gebildet, gut aussehend, humorvoll, freundlich ***?

Tag des Abflugs, Zimmer meines Bruders, 2.00
Peter schläft und träumt von Gardienen aus Honig, die vom Pentagon herabhängen.

Tag des Reiseantritts, Küche, 5.00
Ich habe doch noch etwas geschlafen, gerade geduscht und trinke nun einen frisch gepressten Orangensaft. Während mein Vater an der Küchenzeile steht und den "Teri-Lap-sangsu-Chong" Tee vorbereitet, kommt Peter in Boxershort und Shirt, sich zwischen den Beinen kratzend, nach unten. Als er gerade dabei ist, den Saum der Traumgardienen zu schildern, fällt mir das Messer aus der Hand. Papa zuckt zusammen und faucht mich gereizt an. Der Orangensaft ist lecker.
Tag des Reiseantritts, Auto, 6.00
Die Koffer und die Familie sind ins Auto gewuchtet. Als wir aus der Einfahrt kommen, sehe ich, dass meine Cousinen+Tanten auf dem Fußweg stehen und mir zuwinken****. Sie sind extra für mich aufgestanden. Freut mich, ich winke ihnen zu.

Tag des jüngsten Gerichts, Kingscross-Bahnhof 11.55
Als ich aus der U-Bahn steige, kommt mir ein Mann in weißem Gewand entgegen, nickt freundlich und guckt mich an. Da ich ihn gut kenne, grüße ich ihn. Er teilt mir mit, dass er heute hier sei um Jüngstes Gericht abzuhalten. Ich mache einen schlechten Witz der irgendetwas mit "Alter Sack" zu tun hat. Dann wache ich auf.
Abreisetag, am Flughafen, 6.46
Mama weckt mich auf. Das Auto steht direkt vor dem Flughafen. Extrem schlaftrunken schleppe ich mich aus dem Auto, die noch niedrige Sonne blendet mich. Ich kann die Wichtigkeit dieses Momentes noch garnicht richtig verstehen, es ist das letzte mal dass ich dieses Auto verlasse, das letzte Mal, dass ich den Kofferraum aufmache und einen Koffer eher herausfallen lasse als das ich ihn nehme. Wir betreten den Flughafen und sehen sofort die Gruppe der anderen Austauschschüler, die sich dadurch bemerkbar macht, dass sie meinen übermüdeten, abwesenden Gesichtsausdruck nahezu perfekt imitiert. Als ich ankomme, wird mir klar: sie haben genau dass gleiche erlebt wie ich. Ob sie wohl den gleichen Traum wie ich hatten?

Anmerkung zum letzten Post:
was ich über den Gott des Alten Testaments geschrieben habe, hat wer anders auch gesagt. Ist mir aufgefallen, als ich den Artikel über Glaube in der neuen "ZEIT: Wissen" gelesen habe: Richard Dawkins hat genau das, natürlich wesentlich eloquenter als ich, gesagt. Bloß in einem Punkt wiederspreche ich ihm: Gott ist nicht der Ursprung aller Kriege, der liegt im Menschen.
Ach so, ich glaube übrigens ein bisschen an Gott. Ich sehe bloß keinen Grund zu ihm zu beten, bin ja so weit glücklich. *****


*An sich selbst zu denken ist der einzige Weg zu wissen, dass jemand an einen denkt. Deswegen: Ganz oft machen!
** ich war kurz davor, nämlich mit "h" zu schreiben
*** Ok, also das werden meine Eltern wohl kaum denken, aber: Ich an ihrer Stelle würde genau das denken. Ich mag mich nämlich.
****Die wohnen bei uns nebenan.
*****natürlich sollte man auch beten, wenn es einem gut geht, Dankbarkeit und so. Doch die zeige ich besser, indem ich gut gelaunt durchs Leben gehe und anderen helfe

Sonntag, 9. Dezember 2007

Das alte Testament und sein Gott

An sich bin ich ein relativ christlicher Mensch, aber eines regt mich auf:
Ist euch schonmal aufgefallen, wie Gott im alten Testament auftritt? Er ist ungerecht, eifersüchtig, er bestraft Familien für die Vergehen der Väter. Ist das gerecht?
NEIN!
Im alten Testament ist Gott ein Untier, garnicht cool drauf und ziemlich ungechillt. Im neuen Testament ist das anders, Gott ist der Gott der Liebe und wahnsinnig gerecht. Den Gott des neuen Testaments mag ich sehr, ich hoffe, dass es ihn gibt, schon allein damit die vielen Armen die auf ihn vertrauen nicht enttäuscht werden.
Aber der Gott des Alten Testaments, wie kann man auf so einen Gott vertrauen wollen, was bewegte all die Propheten dazu, von ihm zu verkünden?
Würde mich mal interessieren. Ich auf jeden Fall werde ich erstmal eine weile zornig mit ihm sein. Und mit den Verfassern des Alten Testaments, das liest sich nämlich ziemlich trocken und braucht 40 Kapitel für 7 Handlungsschritte.
Ach ja, heute ist 2 Advent. Frohe Weihnachtszeit, viel Spaß beim Geschenkekaufen!!!

*Siehe "Buch Hiob": Um Hiob zu proben, bringt er dessen 10 Kinder um. Obwohl Hiob "der gläubigste Mensch der Welt" ist. Und dass auch nur, weil Satan nicht glaubt, dass Hiob weiter an Gott glaubt, wenn er Hiob seine Lebensfreude nimmt.

Dienstag, 4. Dezember 2007

Austauschschüler

Austauschschüler sind besondere Menschen. Sie sind freundlich, offen und sowieso toll. Das gilt nicht nur für mich, sondern für alle Austauschschüler.*
Jetzt haben wir es geschafft, eine Art Nachtreffen zu organisieren. Wir treffen uns in den Weihnachtsferien für 2 Tage in so einer Stadt namens Lingen** und freuen uns ein bisschen des schönen Lebens. Wird bestimmt lustig.
Ich glaube so etwas klappt mit keiner anderen Gruppe von Leuten. Ich habe auch selten so viele interessante Leute auf einem Fleck gesehen, mit Interessen und Zielen.
So, genug der Loboden an mich und die meinen, einen schönen Abend wünscht

Robert der Austauschschüler

*aber natürlich auch für mich. Abgesehen davon, dass ich außerordentlich freundlich bin, bin ich auchnoch intelligent, verantwortungsbewusst und bescheiden. Das trifft auch auf viele andere Austauschschüler zu.
** Laut den Lingenern ist Lingen sogar DIE deutsche Metropole direkt gefolgt von Berlin und München. Bin ich ja mal gespannt.

Sonntag, 2. Dezember 2007

Gastgeschenke

Wenn man ins Ausland geht, bringt man ein Stück Inland mit. Sollte man zumindest. Aber was ist denn typisch Deutsch? Oft hört man "Oktoberfest, Sauerkraut und Bier!" doch ist das genauso wenig Deutsch wie Lederhosen oder das Musikantenstadl. Aber meine Aufgabe als Gastschüler ist es, Klischees - sofern sie denn falsch sind - zu korrigieren. Also, was bringe ich dann mit? Deutsche Musik wäre doch ein Anfang, vielleicht Rammstein oder Silbermond oder Juli-CDs. Aber kann ein Brasilianer etwas mit deutschen Texten und belangloser Musik anfangen? Wohl kaum.
Ist die Nordsee typisch deutsch? Oder das Fahrrad fahren? Oder die schlechte Laune? Ein Kumpel sagt grade, typisch deutsch ist die Ungechilltheit.
Und wie schenkt man schlechte Laune? Oder das Versteifte? Geht nicht. Und würde das gut kommen? Auch das wohl nicht.
Also, es muss etwas Schönes her. Literatur, es gibt tolle deutsche Bücher. Ich glaube Bücher sind das einzige, was man wirklich schenken kann.
Also, was ihr heute gelernt habt: Lesen ist typisch deutsch. Schreiben ist typisch deutsch. Intelligenz ist typisch deutsch.