Mittwoch, 22. Oktober 2008

Ein vollkommen normaler Freitag 2

Hier ist die Fortsetzung des letzten Eintrags. Ich komme erst jetzt dazu, da ich letztes Wochenende (bzw. seit Donnerstag morgen) in Curitiba war. Dazu werde ich noch einen Eintrag schreiben.

In der Schule haben wir dann die ersten beiden Stunden Physik. Zum ersten Mal wird das Thema Magnetismus angesprochen. In 10 Minuten hat der Lehrer erklärt, was ich in den Klassen 5-8 gelernt habe. Danach lernen wir, wie man die Anziehungskraft in Abhängigkeit von der Entfernung berechnet und noch eine ganze Menge ähnlicher Dinge.
Auf Physik folgt dann Geschichte - die ersten 10 Minuten höre ich Musik, während der Lehrer das Tafelbild anfertigt. Als er anfängt zu unterrichten, fange ich an, diesen Text hier vorzubereiten. Die anderen vertreiben sich die Zeit mit Radiergummischlachten. Nach 50 Minuten - ich habe mich auch ein bisschen an der Schlacht beteiligt - klingelt es zur Pause.
Ich drängle mich am Kiosk vor. Zu Beginn des Austauschs hab ich immer in der Schlange gewartet, und auch erst bestellt, wenn die Verkäufer mich an geguckt haben. Leider war dann "Pao de Queijo" (eine Teig-Käse Mischung, leicht erhitzt). Trotz des brasilianischen Anstehens ist Pao de Queijo diesmal auch schon ausverkauft, also kaufe ich bloß eine Dose Coca-Cola.
Diese Pause wird der Gewinner der Lotterie bekannt gegeben. Für 2$R konnte man ein Los mit der Chance auf einen I-Pod mini kaufen. Die 3. Klasse verkaufte die Lose, um ihre Abschluss Party zu finanzieren.
Nach der Pause gehts auf zur zweiten Hälfte der Geschichtsstunde. Es geht um Brasilien in der Zeit von 1898-1921. Anscheinend hat Krupp-Stahl damals irgendwelche Kanonen geliefert für interne Streitigkeiten, das Wahlkomitee hat die Wahlen gefälscht und Brasilien hat 3 - oder mehr - Soldaten in den ersten Weltkrieg geschickt (ich habe nicht alles Wort für Wort verstanden, der Lehrer lispelt).
Danach haben wir Redacao, was der Aufsatz-Schreibe-Part des Portugiesischunterrichts ist.
Die Klasse hasst dieses Fach, und die Lehrerin merkt das. Es passt wohl keiner auf. Abgesehen vielleicht von den 3 Leuten, die sogar die Hausaufgaben gemacht haben. Als die Lehrerin einen nach dem anderen fragt, ob er die Hausaufgaben hat, sorgt das für allgemeine Heiterkeit.
Noch 70 Minuten, und es ist Wochenende. Andrey (auf dem zu großen Foto oben auf der Seite im gelben Shirt mit Cappy) fliegt raus, da er versucht, die Radiergummischlacht fortzusetzen und außerdem die Hausaufgaben nicht hat, da er "sich das Knie gebrochen hat". Er erfindet jedesmal eine Ausrede dieser Art. Ich gebe ihm meinen I-Pod, damit er sich nicht so langweilen muss.
Freitag ist wohl der Tag der Woche, an dem ich am wenigsten verstehe, selbst wenn ich versuche zu zu hören. Bei Geschichte und Redacao scheitere ich.
Die Stunde vergeht wirklich langsam, aber schließlich geht sie doch zu Ende.
Wir gehen vor die Schule, um auf unsere Eltern zu warten. Es gibt ein heilloses durcheinander, da wirklich alle mit dem Auto abgeholt werden.
Meine Mutter kommt wie immer recht spät, wenn schon fast alle weg sind, da sie noch meinen Bruder abholen muss. Ich schätze, er wäre 5 bis 10 Minuten früher zu Hause, wenn er zu Fuß ginge.
An den großen Kreuzungen verkaufen meist schwarze Händler Kaugummis, Limonen, Erdbeeren oder Melonen. Schilder ermahnen einen, bettelnden oder Kunststücke vorführenden Kindern kein Geld zu geben.
Zu Hause gibt es Reis mit Bohnen, Kartoffelpüree und Fleisch, als Nachtisch esse ich einen köstlichen Pudding mit Caramelsauce, den es bei wirklich jedem Churasco (Grillfest) gibt.
Nach dem Essen fahren wir auf den "Mercado Popular", wo man zu geringen Preisen original Topmarken kaufen kann. In den winzigen Ständen (4m²) wird alles mögliche angeboten.
Für 13$R (~5€) kauft mein Bruder "Spore", ein Computerspiel, das in einem echten Geschäft in Europa 40€ kosten würde.
Zu hause vertreiben wir uns dann die Zeit fast ausschließlich vor TV, Computer und Co, ich spiele ein bisschen Schlagzeug, dusche und esse ein Maisgebäck, das typisch Mexikanisch ist: Frittierte Maismasse, mit Puderzucker und einer Kondensmilch Schokoladen Mischung. Die Idee, Mais mit Süßspeisen zu kombinieren, befremdet mich immer noch ein bisschen. Aber hier gibt es Maissaft, Maiseis und verschiedene andere Variationen.
Um 19.30 treffe ich mich mit Vivien, Signe, Keith, Lucky und Joao (Brasilianer). Übrigens heißen fast alle Brasilianer Victor, Guilherme, Joao oder Gustavo. Oft werden daher die Nachnamen als Spitzname benutzt.
Für 13$R gibt es in der Pizzaria No. 1 eine Pizza Rodizio (also so viel wie man kann). Zum Nachtisch gibt es Bananen und Schokoladenpizza.
Gegen 22.00 kommt Michelle an. Sie lebt in Primavera, einem Ort 3 Stunden entfernt. Ihre Gasteltern besuchen am Samstag einen Kongress hier und deshalb kommt sie heute mit uns mit.
Nach dem Essen gehen wir zu einem Kiosk, wo wir uns Getränke kaufen und uns auf der Terrasse hinsetzen. Als es anfängt zu regnen, entscheiden wir uns, dass wir ein Dach über dem Kopf haben wollen. Also machen wir uns auf zu einem Club, in dem sie heute "Oktoberfest" feiern. Nach 30 Metern machen wir an einer Tankstelle eine Pause, da irgendwer irgendwas kaufen will. Während dieser Pause fängt es allerdings an, richtig fies zu regnen. Wir stehen also in T-Shirts unter dem Vordach einer Tankstelle. Da der Wind sich dreht, müssen wir uns bald einen neuen Ort suchen. Wir rennen zu der Bushaltestelle 10 Meter weiter.
Das Wasser stürzt in einem 20 Zentimeter tiefen Bach am Straßenrand bergab, und es regnet mehr und mehr. Ein Auto sieht uns und wahrscheinlich vor allem die 2 blonden Mädchen. Was ist die Konsequenz? Richtig. Möglichst schnell und nah an uns vorbeifahren, durch genau diesen Bach. Wir sind alle total durchnässt. Wir rennen zum Kiosk zurück und unterhalten und dort noch bis 2 Uhr mit anderen Schutzsuchenden, trinken und trocken.
Als dann um 2 Uhr Langeweile aufkommt und Diskussionen anfangen, was zu machen sei, rufe ich meinen Vater an, damit er mich abholt.
Und damit: Gute Nacht!

Samstag, 11. Oktober 2008

Ein vollkommen normaler Freitag

Lieber Blog,
Es ist jetzt ja schon eine Ewigkeit her, dass ich mich einmal gemeldet habe. Ich will versuchten, da jetzt wieder etwas mehr Regelmäßigkeit rein zu bringen.
Inzwischen bin ich ja schon 3 Monate hier, und ziemlich im Alltag angekommen.
Deshalb will ich einfach mal einen typischen Tag beschreiben.
6.30Uhr: Mein Handywecker klingelt. Ich muss aufstehen. Ziemlich müde gehe ich ins Bad, während ich mich wasche beobachte ich ein paar Ameisen bei meinem Waschbecken, die irgendwo in der Ecke ihren Bau haben.
Ich ziehe mich für die Schule an (Lange Hose, Schul-T-Shirt) und gehe runter zum Frühstücken.
Meine Mutter - noch im Pyjama - deckt gerade auf, Toastbrot, Kuchen, Kekse, Melonen, lässt "Dick" (sprich: "Djickie"), unsern Hund, ins Haus und geht dann wieder ins Bett. Sie arbeitet vor allem Abends und bleibt deshalb bis 9 Uhr im Bett.
Ich nehme 4 Kekse, Kaffee und ein Stück Melone und dämmere, in Gedanken versunken, vor mich hin.
Mein Bruder kommt auch nach unten, seine Augen sind kaum mehr als Schlitze. Er hat gestern das Fußballspiel Palmeras - Santos gesehen, dass bis 23.30 lief, und ist entsprechend müde. Wir Frühstücken zusammen mit meinem Vater bis circa 7Uhr, putzen die Zähne, holen unsere Taschen und werden zur Schule gefahren.
Caios Schule ist nur 4 Block entfernt, die Fahrt dauert 2 Minuten. Meine Schule ist etwas weiter entfernt, alles in allem vielleicht 7 Minuten. Auf dem Weg sehen wir bereits die ersten Obdachlosen und Bettler, die sich ein paar Cents verdienen, in dem sie Altmetall und -Papier sammeln und es an Recycling unternehmen verkaufen.
Dann kommen wir auf die große Ausfallstraße. Wie viele Spuren sie hat, lässt sich nicht ganz feststellen. Manchmal fahren die Autos in einer Spur, mal zu zweit oder dritt nebeneinander her. Markierungen für Spuren gibt es nicht.

Anmerkung: Ich werde den zweiten Teil des vollkommen normalen Freitags nächste Woche posten. Ich habe ihn bereits vorgeschrieben, will aber den Post nicht zu lang werden lassen.
Was ich hier berichte, habe ich so alles nicht an einem Tag erlebt, es ist trotzdem sehr bezeichnend und könnte durchaus so passiert sein.