Donnerstag, 28. Mai 2009

Jahresbericht für das AGO

Hier nach langer Zeit mal wieder eine Meldung von mir. Diesen Text könnt ihr auf der AGO-Homepage finden, für die er ursprünglich gedacht ist. Ich stelle ihn auch hier online, damit ihr euch den Weg dorthin sparen könnt.

Gott ist Brasilianer - Und ich auch!
Am 21.07.08 nahm ich meine Mutter das letzte Mal vor dem Austausch in den Arm. Nachdem ich die Flughafensicherheit passiert hatte, stieg ich wenig später in das Flugzeug, um elf Stunden später schließlich in Sao Paulo anzukommen.

Todmüde von den Strapazen und der Aufregung wurde ich schnell von meinem Gastbruder Guilherme erkannt, der mich in perfektem Englisch begrüßte. Mit ihm und meinem neuen Vater ging es dann auf den zweiten Teil der Reise, eine acht-stündige Autofahrt aus der Metropole Sao Paulo nach Presidente Prudente, wo ich jetzt seit inzwischen zehn Monaten zu Hause bin.

Die 260.000 Einwohner Stadt liegt im äußersten Westen des Staates Sao Paulo. Die Umgebung wird durch mit trockenem Gras bewachsene Hügel definiert und ist ähnlich wie Oldenburg vor allem für Viehzucht in großem Rahmen bekannt.

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Blick aus dem Wohnzimmerfenster auf Presidente Prudente

Im Gegensatz zu Oldenburg ist es hier allerdings durchgehend zwanzig bis vierzig Grad warm und die Sonne scheint ein paar Tage öfter im Jahr. Es wachsen Palmen, und wilde Papageienarten wecken einen morgens mit lauten Zwitschern.

Da ich über Rotary in den Austausch gegangen bin, habe ich im Verlauf des Jahres bei drei Familien gewohnt. Ich bin mit allen hervorragend verstanden.

Guilherme, mein erster Gastbruder, sprach wie bereits erwähnt sehr gutes Englisch, so dass er mir durch die ersten zwei Wochen helfen konnte: übersetzen, erklären, Freunde vorstellen oder mir Interessantes zeigen. Leider brach er dann aber auch schon in seinen Austausch nach Ungarn auf.

Meine erste Gastmutter, Cecilia, spricht gar kein Englisch, so dass ich mich schnell daran gewöhnt habe, portugiesisch zu verstehen und ansatzweise auch zu sprechen. Natürlich hat sich auch mein Englisch verbessert.

Nach drei Monaten war die Sprache dann immer weniger ein Problem. Ich konnte den Unterricht verfolgen und mich endlich auch mit denen unterhalten, die kein Englisch sprechen.

Aber ich habe den Unterricht erwähnt. Schule.
Ich gehe auf die Privatschule Colegio Átomo, die beste der Stadt. Das Átomo ist einsträngig, und eine der kleinsten Schulen hier.

Ähnlich wie in Deutschland gibt es Ober- und Unterstufe, sechs Stunden am Vormittag und Klassen von circa 30 Schülern. Der Unterricht selbst aber hat wenig mit dem deutschen gemein.

Mittels Frontalunterricht werden hier komplexe Sachverhalte vor allem aus den Naturwissenschaften eingetrichtert, ohne Schülerbeteiligung oder gar gemeinsames Erarbeiten.

Zum Beispiel kam es vor, dass in einer Physikstunde (vorletztes Schuljahr) Magnetismus zum ersten (!) mal durch genommen wurde. Binnen 20 Minuten erklärte der Lehrer, was ich von der ersten Klasse bis heute gelernt und behalten hatte. Das ist gar nicht so wenig. Der Rest der Stunde wurde dann genutzt, um die Formeln zur Magnetfeldberechnung zu erklären und anzuwenden und abzuwandeln: Anziehung abhängig von Distanz, Größe und Stärke des Magneten.

Die Praxis spielt fast gar keine Rolle, in einem Jahr habe ich kein Experiment gesehen, und auch im Englischunterricht redet nur der Lehrer, die Schüler hören zu oder machen ab und zu Übungsaufgaben.

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Schuluniform ist Pflicht: Meine Mitschüler

Eine der ältesten Frauen der Welt lebt in Brasilien. Als sie anlässlich ihres 129. Geburtstages nach dem Geheimnis ihres Alters gefragt wurde, gab sie ihre „Ernährung auf Basis von Reis mit Bohnen“ an. Als ich davon in den Nachrichten gelesen habe, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen: Seit meiner Ankunft gab es hier zum Mittagessen kaum anderes als kreative Reis-Bohnen Kombinationen mit verschiedenen Fleischvarianten.

Abgesehen davon hat die brasilianische Küche auch anderes zu bieten, Gemüse, Nachspeisen, und natürlich die vielen tropischen Früchte, aber wenn ich zurück in Oldenburg je brasilianisch kochen werde, wird es Reis mit Bohnen geben.

Was ich mit Sicherheit auch in Oldenburg machen werde, ist „Churrasco“. Ein Grillfest mit Freunden und Familie, auf das man jeden Sonntag irgendwo eingeladen wird. Es gibt einen Geburtstag zu feiern? Also gibt es ein Churrasco! Verwandte sind zu Besuch? Natürlich gibt es ein Churrasco! Man hat am Sonntag noch nicht vor? Nichts liegt näher als ein Churrasco!

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Churrasco

Wie man sieht lernen Brasilianer gerne Fremde kennen, und so habe ich mich auch vom ersten Moment an immer willkommen gefühlt.
Die ersten vier Monate habe ich damit verbracht, möglichst viele Brasilianer und Austauschschüler hier in Presidente Prudente kennen zu lernen. Dabei habe ich mich auch gleich an die anderen Umgangsformen hier gewöhnt.

In meinem Blog über den Austausch habe ich an meinem 28. Aufenthaltstag folgendes geschrieben:

„Die Brasilianer sind viel offener als die Deutschen. Stellt euch einen richtig offenen Deutschen vor. Euch fällt bestimmt einer ein. Jetzt füllt ein Land mit 188 Millionen davon, in jedem erdenklichen Alter, jeder Hautfarbe, jedem sozialen Stand, Aussehen etc.

Hier fangen die Portiere von Hochhäusern Gespräche mit einem an, wenn man auf jemanden wartet.

Hier kennt man als Jugendlicher die Kellner in der Shoppingmall beim Vornamen und begrüßt sich mit Handschlag.

Hier erzählt eine Lehrerin in der Schule herum, dass ich das brasilianische Bier nicht so gerne mochte, als ich bei ihrem Sohn auf einer Cervejada (ungefähr Bierfest) war.

Oder die Lehrer holen begeistert die Schulleiterin in die Klasse, wenn jemand wirklich im Unterricht einschläft. Und zwar damit die ein Foto für die Schulhomepage machen kann.“

Nach zehn Monaten scheinen mir diese Dinge vollkommen normal, und ich kann es mir kaum noch anders vorstellen. Mit Sicherheit werde ich Gesprächspartnern für deutsche Verhältnisse viel zu nahe kommen, in beiden Sinnen: der normale Abstand bei Gesprächen beträgt 20 Zentimeter, und bei den Gesprächsthemen gibt es wirklich kaum Grenzen. Inzwischen habe ich mich aber so sehr daran gewöhnt, dass ich mir schon gar keine Beispiele für Themen mehr vorstellen kann, über die man nicht schon beim kennen lernen reden könnte.

Im November fingen dann die großen Sommerferien an, für mich hieß das zuerst einmal: Grande Viagem! Die Grande Viagem ist eine über Rotary organisierte 29-Tage Reise einmal quer durch Brasilien. Wieder ein kleiner Auszug aus meinem Blog, diesmal drei Tage nach meiner Rückkehr, am 14.12.08 geschrieben:

„Die Reise war einfach fantastisch, und ist wohl perfekt verlaufen. Jeder Ort, den wir gesehen haben, hatte seine ganz speziellen Eigenheiten, und ich habe erst richtig begriffen, wie groß und vielfältig Brasilien ist. Ich war im Urwald des Amazonas, an den Stränden im Nordosten und in Rio de Janeiro, ich habe Piranhas geangelt, Krokodilfleisch probiert, in Hängematten geschlafen, ich habe gigantische Tropfsteinhöhlen gesehen und bin mit Fischen geschnorchelt, habe mit Händlern auf dem Mercado Modelo gefeilscht, ich war auf dem Zuckerhut und an der Copacabana, ich kann bezeugen wie schön die Mädchen von Ipanema sind und noch vieles mehr!“

Man sieht – er war einfach ein Traum!
Ich habe meiner Gastmutter enthusiastisch erzählt, es wäre der beste Monat meines Lebens gewesen. Und auch heute kann ich daran nichts Falsches finden, diese 29 Tage mit zwanzig Austauschschülern aus aller Welt waren der Spaß meines Lebens!
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Im Urlaub mit meiner zweiten Gastfamilie (links im Bild), Tanten und Cousins

Direkt nach der Reise habe ich in meine zweite Gastfamilie gewechselt, bei der ich die restlichen zwei Ferienmonate in einem Condominium (Gated Community) verbracht habe. Viele Menschen in Deutschland stehen solchen Nachbarschaften kritisch gegenüber, da aber bei meiner ersten Gastfamilie allein während meines Aufenthaltes zwei mal eingebrochen wurde, kann ich Condominiums-Bewohner inzwischen nur all zu gut verstehen.

Im Condominium hatte ich all die Freiheiten, die mir außerhalb wirklich gefehlt hätten: ich konnte zu Fuß Freunde besuchen gehen. Ich konnte auch nachts noch allein auf der Straße unterwegs sein. Ich konnte joggen gehen und sogar meinen iPod mitnehmen.

Ferien außerhalb des Condominiums wären sehr langweilig gewesen, ich hätte das Haus nur selten verlassen können und wahrscheinlich viel Zeit vor dem Fernseher tot geschlagen. So aber war ich in den gut zwei ein halb Monaten Ferien nur zwei mal vor drei Uhr Morgens im Bett.

Natürlich bin ich auch abgesehen von der Grande Viagem während der Ferien noch viel gereist, ich habe über Weihnachten und Neujahr zum Beispiel zwei Wochen in Minas Gerais verbracht. Minas Gerais (sehr frei übersetzt: „Minen Staat“) ist der geschichtlich gesehen wichtigste Staat Brasiliens, und so waren diese zwei Wochen sehr interessant.

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Blick auf die historische Stadt Ouro Preto in Minas Gerais

Nach den Ferien ging der Alltag dann weiter, und nach mehr als drei Monaten ohne Schulroutine fiel mir der Anfang wirklich sehr schwer: Im letzten Schuljahr hatte ich aufgepasst, und sogar zum Ende hin die Arbeiten mitgeschrieben. Nun war meine Aufmerksamkeitsspanne deutlich verkürzt, und schnell habe ich den Anschluss verloren.

Zu meiner Verteidigung kann ich aber sagen, dass meine Klassenkameraden inzwischen fast nur noch lernen. Im Terceiro Colegial, dem letzten Schuljahr, wird auch nichts anderes von ihnen erwartet. Der Unterricht ist eine Wiederholung der letzten Schuljahre im Schnelldurchlauf, komplett auf die Aufnahmeprüfungen der Universitäten ausgerichtet. Es gibt keine Stunde in der nicht Warnungen wie: „Diese Frage wird besonders gerne gestellt“ oder „Das kam 2008 bei den Prüfungen dran“ fallen. Die Lehrer stellen Wochenpläne für Schüler vor, die so klingen: „Einmal die Woche musst du dich sportlich betätigen, sonst machst du im Prüfungsmarathon körperlich schlapp. Am Wochenende kannst du ausgehen – einmal. Ansonsten nur lernen, sonst schaffst du es nicht!“
Ein wenig aufgelockert wird dieses Klima zum Glück aber, wenn es einen so genannten Trote (sprich „Trotsch“) gibt: An einem Tag in der Woche kommen wir, statt in Schuluniform, nach einem Motto verkleidet zur Schule. Gelernt wird natürlich trotzdem.

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„Trote de Cauboi“: Alle kamen als Cowboy verkleidet

Angesichts solcher Anforderungen an meine Mitschüler habe ich mir Hobbies gesucht, damit ich nicht so viel Zeit alleine zu Hause verbringen muss: Ich nehme an der Philosophie AG teil und habe Capoeira und Samba Unterricht.

So habe ich hier ein wunderbares und vollkommen anderes Jahr in Brasilien verbracht. Ich habe viel mehr als bloß eine weitere Fremdsprache gelernt. Ich finde mich ohne Probleme in dieser so anderen Kultur zurecht, und indem ich mit anderen Austauschschülern geredet habe, habe ich auch viel über die USA, Australien oder Kanada gelernt. Ich tanze und trommle Samba und ich weiß wie man ein ordentliches Churrasco oder auch Reis mit Bohnen zubereitet. Ich habe viel über die Welt und mich selbst gelernt, über Deutschland und Menschen an sich. Was aber noch wichtiger ist: Ich habe gute Freunde auf der ganzen Welt.

Um zum Schluss zu kommen noch eine letzte kleine Anekdote:
Auf einer großen Rotary Konferenz vor zwei Wochen hat eine aus den Staaten zurückgekehrte Austauschschülerin eine PowerPoint Präsentation über die Erlebnisse während ihrem Jahr in Ohio gehalten. Die letzte Folie hat mich sehr beeindruckt. Mit ihren Worten will auch ich aufhören:

„Hier würde sonst `Ende´ oder etwas ähnliches stehen. Aber es ist nicht das Ende. Austausch, das ist nicht ein Jahr in einem anderen Land. Der Austausch geht weiter. Austausch ist eine Lebenseinstellung. Vielen Dank für diese Möglichkeit!“

Robert Spalthoff


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Sonnenuntergang, fotografiert von meinem Fenster aus

Montag, 18. Mai 2009

Grande Viagem - Der Clip

Am Wochenende war ich auch einer Rotarykonferrenz und habe eine DVD über die Rotaryreisen erhalten. Den 5 minütigen Clip, der die Reisen gut zusammenfasst, habe ich auf YouTube geladen, und hier ist er!

Sonntag, 1. März 2009

Corinthians

Guten Abend,

es gibt wieder ein bisschen zu berichten aus meinem Leben hier. Das Wochenende war nämlich wieder einmal wunderbar voll.
In der Stadt ist nämlich zur Zeit die Hölle los, es gibt hoch prominenten Besuch!
Am Mittwoch wurde hier ein Fußballspiel der Sao Paulo Liga, Paulista, ausgetragen. Und zwar Corinthias x Noroeste. Während bestimmt niemand von dem zweiten Team gehört hat, ist das erstere doch bekannter. Dort spielt nämlich - wer schon? - Ronaldo.
Und da der hier der offizielle Nationalheld ist, ist hier viel los.
Alles reden sich den Mund trocken darüber, wo Ronaldo gegessen hat, wo er wohnt und sowieso.
Aber zurück zum Spiel. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, und meine Familie auch nicht. Also haben wir uns 8 Eintrittskarten besorgt und sind am Mittwoch Abend zusammen mit Freunden zum Spiel gefahren.
Ronaldo selbst hat nicht gespielt, er wird erst ab März wieder eingesetzt werden, und so waren alle Fußballfans total aus dem Häuschen, als er oben in dem VIP-Bereich das Spiel verfolgt hat. Es gab ein paar an ihn gerichtete Sprechchöre, ihm wurde für seine pure Anwesenheit applaudiert und jede seiner Bewegungen wurde von allen kommentiert. So auch sein Jubel über den verdienten 2 zu 0 Sieg von Corinthians.
Die ganze Stadt hier ist entweder Corinthians oder, so wie ich, Palmeiras Fan, und so war die Tribüne voll, während in dem Noroeste Bereich des Stadions 20 Fans genug Platz hatten eine riesige Flagge auszubreiten.
Die ganze Atmosphäre war typisch brasilianisch munter, es hat mir wirklich gut gefallen.
Am Freitag habe ich dann bei einem abendlichen Grillen davon gehört, dass man der Fußballmannschaft am nächsten Tag, um 9 Uhr morgens, beim Training zugucken kann. Auch wenn ich wie gesagt kein Corintians Fan, sondern Fan der Erzfeinde des Clubs bin (siehe Wikipedia Artikel), wollte ich mir die Chance nicht entgehen lassen, Ronaldo wirklich Bälle kicken zu sehen.
Also bin ich nach einer viel zu kurzen Nacht um halb Acht aufgestanden, um mit einigen Kumpels zum Spiel zu fahren. Eintritt war ein Kilogramm Nahrung pro Person, da das ganze für einen guten Zweck war.
Gegen meinen Liter Milch bin ich um halb neun wieder im Stadion gewesen, und tatsächlich waren 6000 andere ebenfalls so früh aufgestanden. Es war richtig heiß, und auf der gesamten Tribüne gab es nicht einen Flecken Schatten, aber 6000 treue Fans haben geduldig gewartet, bis die Mannschaft, natürlich ein bisschen verspätet - Brasilien eben - mit dem Training angefangen hat. Bei dem Trainingsspiel hat dann Ronaldo auch tatsächlich 3 Tore geschossen. Er war durch seine breitere Statur gut von den anderen Spielern zu unterscheiden, so konnte sogar ich ihn erkennen.

Auf der Rückfahrt haben wir uns dann darüber unterhalten, dass Ronaldo in der Donnerstag Nacht ein "Establishment der adulten Unterhaltung" aufgesucht hat, wo er bis halb 5 geblieben ist, und darüber, dass das gesamte Team bei "Bob´s Burger" gegessen hat, wo Ronaldo mit 3 anderen Corinthians Stars bis elf Uhr abends in einem speziell abgetrennten Raum geblieben ist. Auch haben wir uns auf dem Rückweg dazu entschieden, dass am letzten Abend begonnene Churrasco zu ende zu grillen.
Wir haben die Fleischreste abgeholt und bei meinen Nachbarn hier gegrillt. Wir alle waren ziemlich müde, und nach ein paar Runden am Nintendo Wii bin ich dann auch rüber, der Schlaf nachholen.
Als ich verkündete ich werde jetzt schlafen, teilte mir meine Gastmutter mit, das wäre sowieso ganz gut, da wir am Abend auf einen 15ten Geburtstag eingeladen wären.
Das dann das nächste berichtenswerte Ereignis, ich glaube wie ich in einem klimatisierten Raum schlafe ist nicht wirklich von Interesse.

Fünfzehnte Geburtstage sind hier besonders wichtig. Wer schon mal von "My super sweet 16" gehört hat, kann sich wahrscheinlich vorstellen was ich meine. Es ist wie eine Hochzeit, nur vielleicht noch aufwendiger und für Kinder. Vor allem für Töchter ist es DAS Ereignis zwischen Geburt und Hochzeit: Der fünfzehnte Geburtstag.
So fand der Geburtstag in einem großen und aufwendig hergerichteten Festsaal statt, mit Namens- und Fotokontrolle am Eingang und wirklich vielen Bedienungen in schwarzem Dress, die Fotos machten, filmten, alle Arten von gutem Essen servierten, Getränke ausschenkten oder einfach nur alles koordinierten.
Alle waren im Anzug erschienen, und auch ich habe mir vornehme schwarze Lederschuhe von den Nachbarn ausgeliehen, um nicht underdressed zu erscheinen. Anzughose und Hemd habe ich ja aus Deutschland mitgebracht.
Es war eine richtig große Feier, und auch wenn ich am Anfang so ziemlich niemanden kannte, habe ich jetzt viele neue Freunde, so viele, dass ich mich an so gut wie keinen Namen erinnern kann.
Es gab einen DJ, und nach den Geburtstagszeremonien und dem erwähnten Essen haben alle angefangen zu tanzen, ein paar internationale Lieder, aber überwiegend brasilianische Musik, Festa, Samba, Forro, Funk, so ziemlich alles. Natürlich habe ich mir alle Mühe gegeben, eventuelle Vorurteile über partymuffelige Deutsche zu wiederlegen, und fleißig die Füße geschwungen.
Um 4 Uhr sind wir dann nach Hause gekommen, das dumpfe Geräusch der lauten Musik in den Ohren, und haben alle sehr gut und bis zwölf Uhr mittags geschlafen, denn dann war es Zeit für das nächste Churrasco!

Um noch einmal zu dem Thema Fußball zurück zu kommen, hier in Prudente wird am nächsten Sonntag das Spiel Corinthians x Palmeiras stattfinden. Palmeiras ist der erwähnte Erzrivale der Corinthians, der Club, dem ich anhänge. Das Spiel wird mit Aufregung erwartet, alle Welt rätselt, ob Ronaldo wohl spielen wird und natürlich wie es ausgehen wird.
Ein Spiel Corinthians x Palmeiras zu sehen ist ungefähr wie ein Bayern x Werder Spiel in Deutschland, bloß anscheinend gefährlicher. Mir wird von allen Seiten dringend davon abgeraten, in meinem Palmeiras Trikot oder auch nur in der Farbe Grün zum Spiel zu erscheinen, da man sonst Gefahr läuft von den Corinthians Fans bedrängt bzw angegriffen zu werden. Also werde ich in einer möglichst neutralen Farbe erscheinen und auf einen Sieg der Palmeiras hoffen.
Bis dahin alles Gute aus Prudente,


Hobörtschi (so spricht man Robert auf portugiesisch)

Sonntag, 15. Februar 2009

Capoeira, oh ho ho!

Und da bin ich wieder. Nach langer Zeit wieder einmal eine kleine Geschichte aus dem großen Brasilien. Aber erst einmal: Was ist in der Zwischenzeit passiert?
-In den Ferien bin ich noch zwei weitere Male verreist:
1) nach Sao Paulo und Bertioga, das ist ein Strand dort in der Nähe.
Wir haben zuerst meinen Gastbruder Bruno am Flughafen verabschiedet. Er ist inzwischen in Schweden, wo er erst wirklich schlimmes Heimweh hatte, was sich aber jetzt stark gebessert hat, es gefällt ihm richtig gut drüben in der Kälte.
Nach dem wir ihm am Flughafen eine schöne Reise gewünscht haben, ging es dann wie gesagt nach Bertioga, wo es aber vor allem geregnet hat, was auch schon der zentrale Punkt dieses Urlaubs war. Nicht dass es mir nicht gefallen hätte, es war wirklich schön am Strand zu joggen, bei Regen (keine Ironie!).
2) Die zweite Reise ging zu den Thermas da Olympia, ein Aquapark circa 3 Stunden von hier. Diesmal hatten wir mehr Glück mit dem Wetter, und den ganzen Tag wahnsinnig hohe und steile Rutschen zu rutschen macht wirklich Spaß.
-Auch wenn ich nicht gerade am Brasilien kennen lernen war, hatte ich doch wunderschöne Sommerferien hier mit vielen Freunden und langen Nächten. Ich habe in den gesamten Ferien an zwei Tagen vor drei Uhr nachts geschlafen. Abgesehen von den Reisen.
-Leider hat die Schule wieder angefangen, nachdem ich jetzt ja aber auch fast die Hälfte meines Austausches Ferien hatte.
-Ich werde jetzt Schlagzeugunterricht nehmen. Beziehungsweise ich hatte bereits eine Stunde und werde es fortsetzten, da die Schule wirklich sehr gut ist.
-Inzwischen fühle ich mich wirklich sicher in der Sprache. Ich kann natürlich nicht alle Wörter und verstehe auch nicht alles, aber wenn ich mich mit einem Erwachsenen unterhalte, der weiß dass ich kein Muttersprachler bin kann ich mich über alles unterhalten.

Ich glaube das sind die Neuigkeiten die so vorgefallen sind. Jetzt aber zum Eigentlichen, Capoeira.
Capoeira ist ein brasilianischer Kampf-Tanz-Sport, der vor allem im Norden, in Bahia praktiziert wird. Hier habe ich ein sehr gutes Video auf YouTube gefunden, dass etwas über Capoeira erklärt. Eine etwas ältere deutschsprachige Dokumention.
Auf jeden Fall wurde ich von einer Freundin eingeladen, mir eine Capoeirarunde hier einmal an zugucken und ein bisschen zu lernen. Wir (drei Freundinnen, Mutter, ich) sind also dort hin.
Als wir reinkamen, spielten die Schüler gerade auf den typischen Instrumenten. In dem Video wird auch einiges darüber erklärt, wie die Instrumente aussehen und gespielt werden, welche Rolle sie spielen usw. Ich will alles genau beschreiben, das Video macht es da besser(Video).
Auf jeden Fall aber wir erstmal circa eine Viertel Stunde die Musik gehört, sehr rhythmusbasiert und mit lauten, tranceartigen Gesängen. Ein einzelner Sänger singt die Strophen, die anderen wiederholen einen einfachen Zwischenruf.
Nachdem sie ihre Instrumente weggeräumt hatten und die Stühle an den Rand gestellt, sollte ich zu ihnen in einen Hock-Kreis kommen. Wir haben uns an den Händen genommen und "Gott unabhängig von der Religion" gepriesen und gedankt. Das lässt wahrscheinlich das lockere Klima erahnen, dass in der Schule herrschte, alle waren total diszipliniert am trainieren, aber nie verbissen, sondern mit einer positiven Einstellung.
Danach ging es ans Aufwärmen. In der Hocke durch den Raum springen, und das (Achtung) ohne die Beinmuskeln zu nutzen. Nur mit den Fußmuskeln. Wer eine Idee haben will, wie anstrengend das ist, einfach eine Weile nach versuchen.
Danach hat der Lehrer, den anderen eine Übung vorgemacht, und mir dann, während die Schüler sich in komplexen Bewegungen über den Boden bewegten, den Basisschritt erklärt.
Nach einer Weile haben sich auch sich auch meine Freundinnen zu mir gesellt, und wir alle haben fleißig getanzt. Dabei sollten wir die Augen immer auf dem Plastikstuhl haben, den der Meister vor uns platziert hatte: Ein Symbol für den Gegner.
Wenn wir dann einen Bewegungsablauf gelernt hatten, kam der nächste dran, die und es wurde zunehmend komplexer. Auch wenn die Bewegungen langsam waren, war es doch ziemlich schwierig, alles zu beachten:
In die Knie, Hände links auf den Boden, linkes Bein nach rechts strecken, dann mit dem Rechten drüber steigen, und mit dem linken einen langsamen Tritt über den auf dem Rücken liegenden Stuhl. Aufstehen, zwei Standartschritte und dann das gleiche auf der Rechten Seite. Und dabei nie die Augen von dem Stuhl nehmen. Heute war zudem nicht einer dieser kühlen Tage, sondern eine Wahnsinnshitze und es gab keine Klimaanlage im Raum. Auch wenn ich mich in letzter Zeit öfters sportlich betätige, nicht nur Fußball sondern auch joggen, habe ich mit ziemlicher Sicherheit noch nie so geschwitzt wie heute. Als wir nach ein einhalb Stunden die Treppe runtergingen, musste ich wirklich aufpassen, da meine Beine gezittert haben vor Anstrengung. Lange in der Hocke zu sein beansprucht anscheinend einen Muskel, den man bei Sport in normaler Höhe nicht braucht.
Als ich dann wieder zu Hause war habe ich dann auch nicht mehr beim Fußball mitgespielt, sondern einfach nur zu geguckt. Bis es dann so gegen Acht Uhr total zugezogen ist, und ein richtig starker Regen begonnen hat.
Es regnet und gewittert immer noch über Prudente, und mit einem wahnsinns Muskelkater werde ich mich jetzt also schlafen legen,

Beijos e Abracos, Falo!!